5 Fragen an Daniel Haaksman zu seinem neuen Album African Fabrics
DANIEL HAAKSMAN, geboren in ROM, ging in MOGADISCHU zur Schule und lebt heute in BERLIN. Der Musik-Connaisseur ist ein absolutes Multitalent und dieser Tage vor allem als Produzent und DJ unterwegs. Aber auch als Radiomoderator auf unserem Lieblingssender FUNKHAUS EUROPA stellt er globale Sounds einem größeren Publikum vor. Er machte die brasilianische Dance Music BAILE FUNK weltweit bekannt und bietet mit seinem neuen Album AFRICAN FABRICS eine Interpretation der lebendigen Dance-Szene Afrikas. Bei dem Namen des Albums wurden wir sofort hellhörig und wollten mehr wissen über die Parallelen, die er zwischen seiner MUSIK und den AFRIKANISCHEN STOFFEN sieht.
“DU sprichst davon, dass MUSIK und STOFFE bei Dir Brücken im kulturellen DIALOG sind. Und Du gibst mit Deinem Album vielen hier unbekannten KÜNSTLERN eine PLATTFORM. Was wünschst Du Dir als „OUTCOME“ Deines Albums?”
Ich möchte mit meinem Album unter anderem darauf hinweisen, daß die Afrika- Bilder, die in Europa oder im “Norden” existieren, einen dringenden Gegenwarts-Check benötigen. In den letzten zehn Jahren hat es große gesellschaftliche Umwälzungen in vielen afrikanischen Ländern gegeben, neue Mittelschichten haben sich gebildet, die u.a. plötzlich Zugang zu neuen Technologien und dem Internet haben.
Dieser Technologie-Schub begünstigte die rasante Verbreitung zahlreicher, vormals lokaler Musik-Genres, und das Entstehen einer florierenden Musikvideo-Industrie, die Sounds und Bilder hervorbringt, die innerafrikanisch als auch global zirkulieren. Das Album ist meine künstlerische Interpretation von dem, was ich in letzter Zeit
musikalisch vor allem aus dem südlichen Afrika mit Ländern wie Südafrika, Angola oder Mosambik wahrgenommen und gemocht habe, und ich verknüpfe in dieser Interpretation aktuelle afrikanische Stilelemente mit Bassmusik-Genres der Nordhalbkugel.
“Wir haben die Erfahrung gemacht, dass WAX PRINTS vielen in Europa zu BUNT sind, zu AUFFÄLLIG, zu KOMPLEMENTÄR in der Farbkomposition. Glaubst Du, dass Deine Musik als anderes Medium und Spiegelbild der Wax Prints (Klangkomposition) einen anderen ZUGANG zu den Menschen finden und diese BARRIERE überwinden?”
Ich wünsche es mir! Musik ist aufgrund ihrer immateriellen Form natürlich viel fließender und flexibler als Mode, Musik gibt es heute umsonst, Musik überwindet viele soziale und kulturellen Grenzen – alles, was Mode oft nur schwer erreicht. Musik kann Menschen für kulturelle Differenzen viel direkter sensibilisieren. Gleichzeitig merke ich etwa bei meinen DJ-Sets, daß viele Leute auf der Tanzfläche sich oft gar keine Gedanken darüber machen, woher eine Musik stammt, oder in welcher Sprache gesungen oder gerappt wird – solange es dope ist, und auf dem Dancefloor funktioniert, geht alles!
“Wie ist es zu dem NAMEN des ALBUMS gekommen? Was war die Schlüsselsituation, in der du die PARALLELE zwischen MUSIK und STOFFEN gesehen hast?”
Im Sommer 2015 besuchte ich in Weil am Rhein eine Ausstellung mit dem Namen “Making Africa”, in der es auch eine Skulptur des nigerianisch-britischen Künstlers Yinka Shonibare zu sehen gab, die mich schwer beeindruckte. Als ich in einem Interview mit ihm las, daß er einst gebeten wurde, “authentische afrikanische Kunst” für eine Ausstellung zu produzieren und dann begann, diese Authentizität zu hinterfragen und sich mit der Geschichte “afrikanischer Stoffe” oder der Wax Prints auseinanderzusetzen, die als “afrikanisch” gelten, tatsächlich aber Produkte eines komplexen Wechselspiel von Kolonialismus, Globalisierung und kulturellen Mißverständnissen sind, fiel mir auf, daß sich diese Perspektive auch auf meine eigene musikalische Produktionsweise anwenden ließe.
Mehr zur ENTSTEHUNG der afrikanischen STOFFE in unserem BLOGARTIKEL “Afrikanische Stoffe – Entwicklung, Herstellung und Bedeutung afrikanischer Waxprints“.
“Fabrics” heißt ja nicht nur “Stoffe” sondern auch “Gebilde”, “Konstruktionen”, und die Abstraktion, Tota-zerlegung und Neuzusammensetzung dieser “afrikanischen” Materie sind das Leitmotiv und -Prinzip bei der Album-Produktion gewesen. Ich liebe viele diverse Musikstile, die aus unterschiedlichen afrikanischen Ländern kommen, ich möchte sie als Künstler aber nicht 1:1 nachmachen sondern in meinen eigenen kulturellen Kontext übersetzen und z.B. für meine DJ-Sets nutzbar machen.
“Viele erfolgreiche afrikanische STOFFDESIGNS werden in ost-asiatischen Ländern KOPIERT und anschließend weltweit verkauft, was für die heimische TEXTILINDUSTRIE den KOLLAPS bedeuten kann. Denkst Du, es kann zu einer ähnlichen Entwicklung mit den Musik-Genres aus Afrika kommen, vielleicht auch im positiven Sinne gedacht, dass sich ELEMENTE dieser Musik-Genres irgendwann vermehrt in „WESTLICHEN“ (Club)Produktionen wiederfinden lassen?”
Seit dem Beginn der Entstehung elektronischer Tanz-Musik sind afrikanische Stilelemente ein maßgeblicher Einfluß, der mal mehr, mal weniger bewußt in vielen Genres mitschwingt. Detroit-Techno etwa ist in seiner Struktur eine technologische Adaption von tribalen Trance-Rhythmen, die im Südosten Afrikas, in den Gegenden von heutigen Ländern wie Malawi oder Zimbabwe, schon seit Jahrhunderten gespielt wurden.
House-Musik wiederum, die ja in den mittleren 1980ern in Chicago entstand, wurde in den 1990ern in Südafrika zum größten, dominanten Tanz-Sound, und heute lassen sich House-Produzenten aus Europa und den U.S.A. von House-Music aus dem südlichen Afrika inspirieren. Musik schwappt über die Kontinente und Meere vor und zurück, von einem Kollaps kann nicht die Rede sein. Klar, die Musikindustrie ist im Eimer, aber Musikliebhaber leben in der aufregendsten Zeit ever, noch nie konnte man so einfach und direkt Musik aus allen Ecken der Welt hören.
“Wir sind ja selbsternannte WELTVERBESSERER bei TRUE FABRICS. Was wünscht Du Dir für eine nachhaltige Zukunft dieser WELT und was kann Deine MUSIK dafür tun?
Es gibt zig Sachen, die ich mir für eine nachhaltigere Zukunft dieser Welt wünsche, eine Reduktion des weltweiten Fleischkonsums, die Abschaffung fossiler Brennstoffe, etc. etc. Musik könnte für diese Wünsche ein Träger sein. Vielleicht widme ich mein nächstes Album dem Klimawandel, who knows?